Nicht ohne dich by Boje Verlag

Nicht ohne dich by Boje Verlag

Autor:Boje Verlag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Boje Verlag
veröffentlicht: 2011-03-15T16:00:00+00:00


Kapitel Sechzehn

22. November 1943

An jenem Abend ging ich erst spät mit Muffi Gassi. Mama und ich steckten bis über beide Ohren in Arbeit, sie hatte bis Weihnachten noch zehn Abendkleider zu nähen, und ich arbeitete mit Volldampf an den Spielsachen. Zudem schüttete es schon den ganzen Tag. Als der Regen kurz vor der Verdunklungszeit in ein Nieseln überging, nahm ich Muffi an die Leine und stopfte mir die Taschenlampe in die Tasche.

Muffi schnüffelte an sämtlichen Laternenmasten. Zwar hatte der heftige Regen die Hundemarkierungen größtenteils abgewaschen, aber hin und wieder fand sie doch eine und hinterließ ihre eigene. Ich ging bis zum Kurfürstendamm und drehte dann eine große Runde um den Block mit ihr, um sie für die lange Wartezeit zu entschädigen. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, ob es an diesem Abend wohl einen Luftangriff geben würde, es aber für unwahrscheinlich hielt. Die Bomber flogen lieber bei klarem Himmel.

Als ich wieder in unsere Straße einbog, war es stockdunkel geworden und ich benutzte die Taschenlampe. Ungefähr zehn Meter vor unserem Haus fiel Willi Mingers über mich her. Ich erkannte ihn sofort, weil er so nach Karbolseife stank.

Ich hätte schreien sollen, aber irgendwie schaffte ich es nicht. Plötzlich passierte alles auf einmal und dennoch entsetzlich langsam. Er zog mich an sich und keuchte: »Komm schon, Jenny, du bist doch auch scharf auf mich.« Als er sich mit dem Unterleib an mich drückte, spürte ich die Beule dort – oh nein, dachte ich. Dann presste er gewaltsam seinen Mund auf meinen, und es war einfach ekelhaft, seine Lippen zu fühlen und seinen Speichel zu schmecken. Ich wollte das nicht und wehrte mich, aber er war stark, und jetzt drang seine Zunge in meinen Mund, und das war am allerschlimmsten.

Muffi knurrte drohend. Ich spürte ihren wütend angespannten Körper ganz dicht an meinem Bein – und da lockerte sich Willis Griff. So fest ich konnte trat ich ihm auf den Fuß und stieß ihm den Ellbogen in die Seite – und dann war ich frei, Gott sei Dank. Muffi knurrte immer noch grimmig und tat, als wollte sie zubeißen, doch dazu war sie eigentlich zu vernünftig.

»Du Schlampe!«, jaulte Willi. »Du hast mir wehgetan. Schaff mir bloß diesen bösartigen Köter vom Hals.«

Ich war bereits auf dem Rückzug und zerrte an der Leine, während Muffi ihn zu meiner Freude immer noch drohend anknurrte. »Du hast es verdient, dass man dir wehtut, du Dreckschwein!«, schrie ich ihn an.

Dann rannte ich und blieb erst in unserem Hof wieder stehen. Ich wollte nicht zu Mama in die Werkstatt, sondern sofort ins Bad und mir den Mund auswaschen. Vor allem hatte ich das Bedürfnis, allein zu sein. Die Taschenlampe auf das Kopfsteinpflaster gerichtet, suchte ich den Weg zur Hintertür. In diesem Augenblick glaubte ich Willi schon wieder hinter mir zu hören. Ich schnellte herum und leuchtete ihm ins Gesicht. Aber Muffi gab nur ein unterdrücktes, freudiges Bellen von sich, und dann sah ich, dass es Raffi war.

Erst war ich zu Tode erschreckt, dann außer mir vor Wut, und dass ich den Mund halten musste, solange wir im Hof waren, erzürnte mich noch mehr.



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